Hochtour

Hochtouren im Ötztal

Dauer: 5 Tage
Start: Obergurgl

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Hochtouren im Ötztal

Am 22. Juli gleiteten Philipp und meine Wenigkeit gemütlich mit meinem englischen Geländewagen ins Ötztal, wo ich mein königliches Gefährt sicher in einer wunderschönen Tiefgarage in Obergurgl parkte. Hier starteten wir am Vormittag unsere Ötztal-Hochtourenwoche. Der Plan war ungefähr folgender:

Angesichts des Plans war es klar, dass das sehr anstrengende Tage werden. Die Hütten sind teils sehr weit voneinander entfernt, man bewegt sich meist auf einer Höhe zwischen 2.500 - 3.000m und der Rucksack ist aufgrund der notwendigen Ausrüstung schwer. Leider waren aufgrund des schneearmen Winters und der hohen Temperaturen auch keine guten Bedingungen zu erwarten und die Wettervorhersage war schlecht - doch dazu später mehr.

Tag 1: Zustieg zur Zwickauer Hütte über Rotmoosjoch

Auf Wanderwegen bewegten wir uns Richtung Rotmoosferner. Das Wetter und die Sicht wurde immer schlechter, sodass wir Probleme hatten, einen guten Einstieg zum Rotmoosferner zu finden. Als uns das aber gelang, seilten wir uns an. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das auf diesem Gletscher überhaupt notwendig ist. Er sah vom Klimawandel auch sehr mitgenommen aus.

Auf dem Rotmoosferner

Das erste Hindernis

Schließlich trennten uns nur noch wenige Hundert Meter Luftlinie von unserem Tagesziel, der Zwickauer Hütte. Doch trotzdem versperrte uns ein großes Hindernis den Weg: Das Rotmoosjoch (3055m).

Eigentlich ist hier ein “Mini-Klettersteig” mit Eisentritten eingebaut, mit dem man die sehr steile Felswand leicht erklettern kann. Doch aufgrund des Gletscherrückgangs und des Mangels an Schnee ist der Einstieg in die Wand etwa 5 Meter unter dem Einstieg des Klettersteiges. So muss man sich einige Meter an der sehr glatten Wand hochkämpfen, bis man am leichten Klettersteig ankommt. Mit Steigeisen an den Füßen (das Joch ist ja von Gletschern umgeben) ist das gar nicht so einfach.

Schließlich, nach ein bisschen Probiererei, standen wir auf dem Rotmoosjoch, von wo wir schon die Zwickauer Hütte erkennen konnten. Nachdem wir uns wieder anseilten, um den kleinen Gletscher vor der Hütte zu überqueren, waren wir nach etwa 30 Minuten an unserem Ziel, wo wir die Ehre hatten, mit der Oberbürgermeisterin der Stadt Zwickau den Tisch zu teilen.

Bei der Zwickauer Hütte angekommen.

Tag 2: Hinterer Seelenkogel und Zustieg zum Ramolhaus

20 Meter neben der Hütte beginnt der Weg zum Hinteren Seelenkogel, der etwa 3475m hoch ist. Die Hütte ist südlich des Gipfels. Auf der Nordseite ist der Gipfel von Gletschern umgeben.

Den Gipfelanstieg würde ich als eine schwierige Wanderung bezeichnen. Es sind einige ausgesetzte Passagen zu überwinden, und es ist viel Kraxelei (I-II) nötig. Der Grat hat aber die ein oder andere wunderschöne Stelle. Definitiv ein Highlight unserer Ötztalrunde.

Was für eine Aussicht.

Am Gipfel angekommen, war unser nächstes Ziel das Ramolhaus. Um zu diesen zu gelangen, muss der Seelenferner überwunden werden. Wir haben uns hier angeseilt, die Verhältnisse auf dem Gletscher waren gut.

Das Ramolhaus ist wirklich sehr weit entfernt von der Zwickauer Hütte. Der Weg dahin ist ein leichter Wanderweg, auf dem man auch die Piccard Brücke überquert. Gegen 18:00 Uhr kamen wir auf der Hütte an, wo später Michael zu uns stosste, um unsere Seilschaft zu verstärken.

Tag 3: Weiter zur Similaunhütte bei schlechtem Wetter

Für diesen Tag war die Wettervorhersage schlecht. Am Nachmittag soll es stark regnen. Schade, denn gerne hätten wir einen oder mehrere Ramolkogel bestiegen. Aufgrund der Wettervorhersage starteten wir besonders früh und gingen schneller als sonst. Das schlechte Wetter begann schon um etwa 11:00, viel früher als vorhergesagt. Es nutzte nichts, wir mussten bei diesem Sauwetter den Anstieg zur weit entfernten Similaunhütte machen. Um ca. 16:00 kamen wir völlig durchnässt an.

Tag 4: Weiter zur Schöne-Aussicht-Hütte

Nach einer stürmischen Nacht mit etwas Neuschnee war am Morgen dichter Nebel, der sich aber plötzlich legte. Wir ergriffen die Chance und machten uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel, der Schöne Aussicht Hütte. Schliesslich kam sogar für ein paar Stunden die Sonne raus.

Der Weg geht vorbei am Ötzi-Fundort bis zum Hauslabjoch. Wer möchte, kann die Fineilspitze überschreiten. Wir stiegen vom Hauslabjoch ab und bewegten uns auf dem Hochjochferner in westliche Richtung. Hier versperrte uns eine Felswand den Weg. Diese umgingen wir nördlich.

Nach dem Verlassen des Ferners kamen wir auf einen ca. 3200m hohen Punkt, dessen Name ich leider vergessen habe. Wir stiegen diesen über einen teils ausgesetzten, aber mit Eisentritten und Drahtseilen gesicherten alpinen Steig abstiegen. Nachdem wir etwa zwei Stunden lang in einem mondkraterähnlichen herumwirrten (hier war früher ein Gletscher), fanden wir schliesslich zur Schöne-Aussicht-Hútte. Pünktlich zu unserer Ankunft fing es, wie angekündigt, an stark zu regnen.

Auf dem Weg zur Schöne-Aussicht Hütte.

Der Wetterbericht für den nächsten Tag war sehr schlecht: Den ganzen Tag über sehr starker Niederschlag und starke Winde. Angesichts dieser Tatsache konnte ich mir nicht vorstellen, dass wir morgen zur Weisskugel aufbrechen.

Tag 5: Unwetter

Wir übernachteten in der Schöne Aussicht Hütte ganz oben, im Lager direkt unter dem Dach. Die ganze Nacht lang konnte man horen, wie der Wind durch die Nacht pfeift. Für den nächsten Tag hatte ich persönlich gar kein gutes Gefühl und habe auch entsprechend schlecht geschlafen.

Als wir um etwa 05:00 Uhr die Hütte verliessen, war der Wind so stark, dass die Schneeflocken einem direkt ins Gesicht geblasen wurden. Die Sicht war sehr begrenzt. Meiner Meinung nach machte es bei diesem Wetter keinen Sinn, aufzubrechen. So haben wir nach ein paar Momenten vor der Hütte diese wieder betreten und gingen wieder ins Bett.

Leider war für Michael die verkürzte Hochtourenwoche nun ohne Gipfel zu Ende, da er morgen wieder heimkehren musste.

Tag 6: Weisskugel (3739m)

Am sechsten Tag unserer Ötztal-Woche war das Wetter zwar nicht gut, doch viel besser. Der Wind war zwar sehr stark, doch ab und zu blickte sogar die Sonne durch.

Nachdem wir uns kurz nach 05:00 Uhr von Michael verabschiedeten, brachen Philipp und ich Richtung Weisskugel auf. Wir gingen bewusst in einer (für uns) langsamen Geschwindigkeit, weil wir wussten, dass uns eine lange und anstrengende Tour bevorsteht.

Teufelsegg und Steinschlaggrat

Über einen teilweise etwas ausgesetzten Steig gelangt man zum Teufelsegg auf ca. 3100m. Hier kann man den Steinschlaggrat betreten. Dieser hat zwar keine klettertechnicshen Schwierigkeiten (I-II), doch er ist ausgesetzt. Ein Grat eben. Wir verwendeten hier das Seil zum Sichern.

Angekommen am Steinschlaggrat

Hintereisferner und Gipfel

An einem Punkt, an dem der Hintereisferner auf unserer Rechten leicht zu betreten war, zogen wir uns die Steigeisen an und stiegen zum Gletscher ab. Auf diesem war bis zu 30cm Neuschnee. Der Neuschnee auf dem Gletscher ist zwar wunderschön, doch er hat Vor- und Nachteile. Es war viel schwieriger, Gletscherspalten zu erkennen. Unsere Strategie war, dass Philipp stochernd vor ging. Ich fungierte mit meinen 100kg als Anker, falls Philipp in eine Spalte zu fallen droht. Wir vermeideten Schlappseil. Trotz dieser hohen Disziplin brachen wir ab und zu ein. Oft war es nicht klar, ob man in eine Spalte bricht oder im Tiefschnee versinkt.

Nach etwa 30 Minuten kamen wir am Hintereisjoch an. Meiner Meinung nach wird die Tour ab hier schwieriger. Das Hintereisjoch selbst ist sehr steil und es gab hier eine grössere Spalte. Etwa 50m hinter dem Hintereisjoch war die Spaltensituation auch sehr schwierig. Ich brach hier mit einem Bein in eine offenbar sehr tiefe Spalte ein, doch zum Glück kam ich ohne Probleme wieder raus. Das Matscher Wandl, eine der Schlüsselstellen der Tour (aufgrund seiner Steilheit), war aufgrund des Neuschnees einfacher als sonst. Man konnte unproblematisch durch stapfen.

Abstieg zur Weisskugelhütte

Nachdem wir den Gipfel erreichten, stellte sich die Frage, wie genau wir jetzt zur Weisskugelhütte kommen. Wir wussten, dass wir den Hintereisferner und den Langtauferer Ferner überqueren mussten. Doch zwei Felswände, die die Gletscher abtrennten, waren im Weg.

Gefährlicher Abstieg

Die Überquerung der ersten Felswand, diese war der Ostgrat der Weisskugel und die Trennung zwischen Hintereisferner und Langtauferer Ferner, war ein Problem. Der Abstieg vom Grat zum Langtauferer Ferner erfolgte durch eine etwa 40 Grad steile, enge Rinne. Das Problem war, dass diese mit sehr wenig Schnee gefüllt war. Der Untergrund war teils Schnee, teils Eis, manchmal blanker Fels. Jedenfalls eine äusserst unangenehme Mischung. Die Rinne hatte wahrscheinlich um die 100 Höhenmeter. Ein Absturz wäre fatal gewesen. Ehrlich gesagt habe ich ein paar Meter nach dem Einstieg gemerkt, dass das eine fahrlässige Entscheidung war.

Hatscher zur Weisskugelhütte

Nachdem die Rinne überwunden war, lag noch ein äusserst langer Marsch über den sehr langen Langtaufererferner vor uns. Dieser macht seinem Namen alle Ehre.

Auf dem Weg zur Weisskugelhütte.

Wir navigierten an den vielen Spalten vorbei, bis wir am absolut gigantischen Gletscherbruch ankamen. Bestimmt zwei Kilometer voller Schutt, Geröll und sterbenden Eis muss man überwindne, um am Talende, auf “festem Boden” anzukommen. Doch irgendwann war auch das geschafft, und uns trennte nur noch eine kurze Wanderung von der Weisskugelhütte, auf die ich mich schon so freute. Um etwa 18:00 Uhr kamen wir an dieser an, und wurden vom äusserst netten Hüttenteam mit einem Schnaps belohnt. Den bekommt jeder, der von der Weisskugel kommt.

Nach diesem wirklich strengen Tag war ich einfach nur glücklich, in der Hütte zu sein.

Am nächsten Tag stiegen wir nach Melag ab, einem winzigen, idyllischen Dorf, von wo aus wir mit den öffentlichen Verkehrsmittel wieder nach Obergurgl fuhren.